Weltkrieg, Erster: Parlamentarisierung des Deutschen Reichs

Weltkrieg, Erster: Parlamentarisierung des Deutschen Reichs
Weltkrieg, Erster: Parlamentarisierung des Deutschen Reichs
 
Das Deutsche Reich war seiner Verfassung nach eine konstitutionelle Monarchie, die Macht des Herrschers war durch eine Verfassung eingeschränkt, die eine Volksvertretung in Form des Reichstages zugelassen hatte. Die Rechte des Reichstages waren jedoch sehr begrenzt. Die Reichsregierung (Reichskanzler und Staatssekretäre) wurde vom Kaiser ein- und abgesetzt, der Reichstag hatte darauf keinen Einfluss, sondern lediglich sein Votum zu den Gesetzen abzugeben. Die Bemühungen der Parteien, vor allem der politischen Mitte und der Sozialdemokraten (siehe auch Sozialdemokratie: Entstehung und Entwicklung im 19. Jahrhundert), mehr Einfluss zu erhalten, verstärkten sich seit Beginn des Krieges anlässlich der Abstimmungen über die Kriegskredite. Aber erst als General Erich Ludendorff die militärische Niederlage eingestand und sofortige Waffenstillstandsverhandlungen forderte, wurde auf seine Veranlassung hin die Regierung auf eine parlamentarische Grundlage gestellt. Mit diesem Versuch einer »Revolution von oben« stahl sich das Militär aus der Verantwortung für das von ihm verschuldete politische und militärische Desaster. In den Augen der deutschen Öffentlichkeit hatten nun die Parteien, die in der Kaiserzeit am heftigsten bekämpft worden waren, die Verantwortung für den Waffenstillstand und die späteren Ergebnisse des Versailler Vertrages auf sich zu nehmen. Eine Hypothek, die zum Scheitern der Weimarer Republik 15 Jahre später beitrug. Reichstagsabgeordnete aus den Parteien der Mehrheitskoalition (Zentrum siehe auch Zentrumspartei: Entstehung und Entwicklung im 19. Jahrhundert, Fortschrittliche Volkspartei und Sozialdemokratische Partei) traten in die von Prinz Max von Baden gebildete neue Reichsregierung ein. In der im Hinblick auf die Waffenstillstandsverhandlungen beschlossenen Verfassungsänderung vom 28. Oktober 1918 (deshalb Oktoberverfassung) wurde die Bindung des Reichskanzlers an das Vertrauen des Reichstages festgelegt. Die Oktoberverfassung hatte jedoch keine tieferen Auswirkungen mehr, da wenige Tage später die Novemberrevolution ausbrach. Sie war aber ein wichtiger Schritt auf dem Weg zur parlamentarischen Demokratie, wie sie dann in der Weimarer Republik mit ihrer Verfassung verwirklicht wurde.

Universal-Lexikon. 2012.

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